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05. November 2013

OLG Bamberg: Kein Schadensersatzanspruch des leitenden Krankenhausarztes gegen Krankenversicherer wegen angeblich unberechtigter Strafanzeige

Einem leitenden Krankenhauschefarzt steht kein Schadensersatzanspruch gegen einen privaten Krankenversicherer zu, der Strafanzeige wegen vermeintlichen mehrfachen Abrechnungsbetruges erstattet hat.

Einem privaten Krankenversicherungsunternehmen wurden durch einen Oberarzt vertrauliche Informationen zugetragen über vermeintliche Behandlungsfehler sowie vermeintlich betrügerisches Abrechnungsgebaren des leitenden Krankenhauschefarztes gegenüber privat versicherten Patienten. Unter Vorlage eines von dem namentlich nicht genannten Oberarzt stammenden anonymen Schreibens erstattete der Krankenversicherer daraufhin Strafanzeige und löste hierdurch ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gegen den Krankenhauschefarzt aus, über das auch überregional unter namentlicher Nennung des betroffenen Krankenhauschefarztes in Presse und Medien berichtet wurde .

Der betroffene Chefarzt hielt die Strafanzeige für ungerechtfertigt und erhob gegen die Krankenversicherung und den Oberarzt Klage auf Zahlung von Schadenersatz für materielle und immaterielle (Schmerzensgeld) Schäden in Höhe von insgesamt rd. 1,5 Mio. EUR.

Das Landgericht hat die Klage des Chefarztes für unbegründet gehalten.

Dagegen hat der betroffene Chefarzt Berufung eingelegt.

Das Oberlandesgericht Bamberg hat die Berufung durch Urteil vom 31.10.2013 zurückgewiesen weil einer Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen einer vermeintlich unberechtigten Strafanzeige schon das sog. Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Strafanzeige bewusst wahrheitswidrige oder evident unzutreffende Angaben zugrundegelegen haben.

Die Erstattung einer Strafanzeige stelle, auch wenn durch sie zwangsläufig die Ehre des Betroffenen nachteilig berührt wird ein elementares Recht jedes Staatsbürgers dar, die darüber hinaus im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und der Aufklärung von Straftaten liegt.

Dies gelte unterschiedslos sowohl für „berechtigte“ Strafanzeigen als auch für Strafanzeigen, die sich später als unzutreffend erweisen oder deren Richtigkeitsgehalt nicht aufgeklärt werden kann.

Folgerichtig spielte es für das OLG Bamberg auch keine Rolle, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Chefarzt teilweise eingestellt hat. Ebensowenig bedeutsam war es für das OLG Bamberg, dass das Strafverfahren gegen den betroffenen Chefarzt zwischenzeitlich gegen Zahlung von 150.000,- EUR vorläufig eingestellt wurde durch die zuständige Große Strafkammer.

Eine andere Beurteilung wäre nach Auffassung des OLG Bamberg allenfalls denkbar bei bewusst wahrheitswidrigen oder evident unzutreffenden Angaben gegenüber der Staatsanwaltschaft oder im Falle von sog. „Schmähungen“. Von einer Schmähung in diesem Sinne, so das OLG Bamberg weiter, könne aber erst dann die Rede sein, wenn die Herabsetzung der betroffenen Person derart im Vordergrund steht, dass jeder sachliche Bezug darüber verloren geht. Die möglicherweise herabsetzende Wirkung einer ansonsten auch noch irgendwie sachbezogenen Äußerung reicht für die Annahme einer Schmähung im rechtlichen Sinne nicht aus.

Evidente Unrichtigkeit in diesem Sinne kann nach Meinung des OLG Bamberg auch nur unter strengen Voraussetzungen angenommen werden. Den Anzeigeerstatter treffe insbesondere keine Verpflichtung, seine Angaben zu überprüfen. Vertraue der Anzeigeerstatter in diesem Sinne auf die Richtigkeit seiner Angaben gegenüber der Staatsanwaltschaft, verbiete sich die Annahme einer evidenten Unrichtigkeit. Der Anzeigeerstatter dürfe vielmehr darauf vertrauen, dass die staatlichen Strafverfolgungsbehörden den mitgeteilten Sachverhalt pflichtgemäß überprüfen.

Da sich das OLG Bamberg bei seiner Entscheidung auf jüngere und jüngste Rechtsprechung des BGH stützen konnte, wurde die Revision nicht zugelassen.

Geschäftszeichen des OLG Bamberg: 1 U 144/12
Vorinstanz: LG Aschaffenburg, 13 O 552/10

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hierzu:
BGH Urteil v. 28.2.2012, VI ZR 79/11
BGH Urteil v. 11.12.2007, VI ZR 14/07

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG):
BVerfG Beschluß v. 15.12.2008, 1 BvR 1404/04

Zur Beendigung des Strafverfahrens:
Mainpost 25.10.

 

NACHTRAG 11.04.2014:

Durch Urteil vom 04.04.2014 hat das LG Aschaffenburg nun auch die noch anhängige Klage gegen den betroffenen Oberarzt zurückgewiesen, nachdem es eine Beweisaufnahme durchgeführt und mehrere Zeugen angehört hat. Bemerkenswert ist, daß eine als Zeugin vernommene frühere ärztliche Mitarbeiterin des klagenden Chefarztes angab, daß die Stimmung in der Klinik durchweg katastrophal und die Arbeit unmenschlich gewesen sei, sie habe die Zeit unter dem Kläger als "Jahre der Demütigung" empfunden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig - nachdem aber zwischenzeitlich auch das Strafverfahren gegen den klagenden Chefarzt abgeschlossen wurde, erscheint eine erneute Berufung eher unwahrscheinlich.

 

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