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Versicherungsrecht

04. Juli 2013

Arglistanfechtung durch Krankenversicherer

OLG Nürnberg: Strenger Maßstab bei vorvertraglichen Auskunftsobliegenheiten als Kehrseite des Kündigungsverbots der sog. substitutiven Krankenversicherung nach § 206 VVG

Das OLG Nürnberg hat in einem Rechtsstreit zwischen Versicherungsnehmer und Krankenversicherer über den Fortbestand einer privaten Krankenversicherung die Auffassung vertreten, daß aufgrund des gesetzlichen Kündigungsverbots in der sog. substitutiven Krankenversicherung "eine penible Erfüllung der vorvertraglichen Anzeigeobliegepflicht" vom Versicherungsnehmer zu verlangen sei.

Der Versicherungsnehmer hatte in einem Versicherungsantrag verschwiegen, daß er wegen rezidivierender Harnwegsinfekte ärztlich behandelt worden ist. Aus einem früheren Versicherungsantrag wusste der Versicherer, oder war für den Versicherer zumindest ersichtlich, daß der Versicherungsnehmer auch wegen einer Darmkrebserkrankung operiert worden ist und die anschließenden Kontrolluntersuchungen "ohne Befund" geblieben sind.

Nach Annahme des Versicherungsantrags erhielt der Krankenversicherer bei Gelegenheit der Prüfung eines Erstattungsantrags Kenntnis davon, daß der Versicherungsnehmer auch wegen rezidivierender Harnwegsinfekte in Behandlung gewesen ist. Hiervon hatte der Versicherungsnehmer trotz entsprechender Frage im Versicherungsantrag nichts erwähnt.

Der Versicherer trat daraufhin vom Versicherungsvertrag zurück und erklärte auch die Anfechtung wegen "arglistiger Täuschung".

Bei der Anfertigung des Versicherungsantrags hatte ein Vermittler des Krankenversicherers mitgewirkt. Daß er dem Vermittler die Vorerkrankungen an Harnwegsinfekten mitgeteilt hätte, hat der Versicherungsnehmer im Prozeß nicht behauptet. Im Rahmen einer persönlichen Anhörung hatte der Versicherungsnehmer angegeben, er wisse nicht, ob er die Harnwegsinfekte dem Vermittler mitgeteilt habe.

Das hat das OLG Nürnberg indes als nicht ausreichend erachtet mit der Folge, daß die Arglistanfechtung des Krankenversicherers zur (rückwirkenden!) Vertragsbeendigung mit der weiteren Folge der Leistungsfreiheit des Versicherers geführt hat. (Urteil des OLG NüÜrnberg vom 11.04.2013, Az.: 8 U 1547/13)

Die Folgen einer wirksamen Arglistanfechtung des Krankenversicherers können weitreichend für den Versicherungsnehmer sein - nicht nur entfällt der Versicherungsschutz für die Zukunft, schlimmer noch: Der Krankenversicherer kann nämlich im Anschluß an eine erfolgreiche Arglistanfechtung auch die in der Vergangenheit geleisteten Erstattungen zurückfordern. Dem Versicherungsnehmer ist zu empfehlen, Gesundheitsfragen in dem Antragsformular einer Krankenversicherung stets wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Man sollte hier keinesfalls vermeintlich geringfügige "Bagatellerkrankungen" oder selbst für unwesentlich gehaltene "Beschwerden" verschweigen - schon gar nicht im Falle eines beabsichtigten Versicherungswechsels zur Ersparnis von Versicherungsbeiträgen. Ob Vorerkrankungen und -beschwerden unwesentlich sind, hat ausschließlich der Krankenversicherer im Rahmen der Risikoprüfung zu beurteilen. Es hilft dem Versicherungsnehmer häufig nichts, wenn er sich nachträglich darauf berufen möchte, die verschwiegenen Beschwerden seien bspsw. harmlos oder vollständig ausgeheilt gewesen - das gilt selbst dann, wenn das sachlich richtig ist. Das Auskunftinteresse des Versicherers beschränkt sich in den allermeisten Fällen eben gerade nicht auf die bei Antragstellung akut bestehenden Erkrankungen sondern geht darüber - teils weit - hinaus. Häufig kann es wesentlich sinnvoller sein, statt eines Versicherer-Wechsels im Interesse geringerer Versicherungsbeiträge beim bisherigen Krankenversicherer zu bleiben und dort in einen günstigeren Tarif zu wechseln (ohne erneute Gesundheitsprüfung) - hierauf besteht nach dem Versicherungsvertragsgesetz ein Anspruch (§ 204 VVG).